Konjunktureintrübung erfasst Plattform-Aktien
1. November. Nachdem Netflix in der Vorwoche mit starken Zahlen überzeugt hatte, sorgten die "Big Techs" Apple, Amazon, Alphabet, Microsoft und Meta in der vergangenen Woche für einige negative Überraschungen.
- Die Kombination aus schwacher Konjunktur und starker Konkurrenz setzt nicht nur - wie erwartet - Meta unter Druck, sondern inzwischen auch Alphabet. Dagegen läuft das Werbegeschäft von Amazon (Retail Media) weiterhin auf vollen Touren.
- Anbieter im Hochpreissegment (Apple) spüren für ihre Kernprodukte bisher keine nennenswerte Kaufzurückhaltung. Im Gegenteil: iPhone und Mac sind gegen den Trend gewachsen.
- Das Cloud-Geschäft läuft bei allen drei großen Anbietern (Amazon, Microsoft, Google) weiterhin gut, verliert allerdings an Dynamik, da die Unternehmen sparen und dabei auch ihre Cloud-Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Player durch die wirtschaftlich schwierige Zeit kommen.

Entwicklung ausgewählter Plattform-Aktien in der vergangenen Woche (22.-29 Oktober 2022)

Apple
90 Mrd. Dollar Umsatz und 21 Mrd. Dollar Gewinn bedeuteten ein starkes Quartal für Apple, das vor allem vom iPhone getragen wurde. Als einziger großer Smartphone-Hersteller konnte Apple den Absatz zwischen Juni und September steigern. Auch der Mac-Absatz legte in einem schwachen PC-Markt zu. Eine Schwachstelle zeigte sich im Service-Geschäft, da Werbung und Spiele nicht wie gewohnt zulegen konnten. Die Apple-Aktie ging mit einem Zuwachs von 5,8 Prozent als Gewinner aus der Börsenwoche.

Amazon
Eigentlich waren die Amazon-Zahlen für das dritte Quartal ganz in Ordnung: Der Umsatz im Kerngeschäft Online-Handel legte wieder zu, das Werbegeschäft kletterte gegen den Trend sogar um 25 Prozent und auch die Cloud-Sparte AWS war mit 27 Prozent Zuwachs auf einer Linie mit den Wettbewerbern. Erst der Ausblick für das Weihnachtsgeschäft mit nur noch zwei bis acht Prozent Umsatzwachstum sorgte für Ernüchterung und den schärfsten Kurseinbruch seit 16 Jahren. Am Ende der Woche ging die Aktie 13,3 Prozent schwächer als zu Beginn der Woche aus dem Handel.

Alphabet
Wenn die Zurückhaltung der Werbekunden erst einmal bei Google ankommt, brennt der Baum. Normalerweise schichten Werbekunden in schwierigen Phasen von Marken- zur Performance-Werbung bei Google um, damit der Absatz direkt angekurbelt wird. Inzwischen hat sich diese Kette aber verlängert: Nach Marken- und Performance-Werbung kommt nun noch Retail Media, also Werbung direkt auf der Seite der Online-Händler wie Amazon. Diese Werbung führt noch direkter zu mehr Absatz - und hat Google im Werbefunnel vom begehrten untersten Platz nach oben verschoben. Auch Youtube hat die Zurückhaltung der Werbekunden zu spüren bekommen.
Die Alphabet-Aktie hat in der vergangenen Woche daher 4,8 Prozent an Wert verloren.

Microsoft
35 Prozent Wachstum in der wichtigen Azure-Sparte klingen nicht schlecht, liegen aber unter den Werten des Vorjahres. Nach den massiven Investitionen in das Cloud-Computing nach Beginn der Corona-Pandemie treten viele Unternehmen im Moment dezent auf die Bremse, auch um die Kosten im Griff zu halten. Die Wachstumsrate werde daher im aktuellen Quartal weiter zurückgehen, sagte Finanzvorständin Amy Hood. Das gefiel den Anlegern natürlich gar nicht. Die Microsoft-Aktie verlor im Wochenverlauf 2,6 Prozent.

Meta
Der rasante Absturz des Zuckerberg-Imperiums geht weiter. Das Werbegeschäft wird von drei Seiten - Apple, Amazon und TikTok - in die Zange genommen und das Metaverse lässt weiter auf sich warten. Entsprechend schrumpfen Umsatz und Gewinn gleichermaßen. Mark Zuckerberg fehlt ganz eindeutig eine überzeugende Story, um bei den Anlegern zu punkten. Die Meta-Aktie hat in der vergangenen Woche weitere 23 Prozent verloren und liegt nun 70 Prozent unter dem Wert zu Jahresbeginn.

Und noch ein Abschied: Die Twitter-Aktie verschwindet von der Börse, nachdem sich der "Chief Twit" Elon Musk die mächtigste News- und Meinungsplattform der Welt gekauft und gleich zu Beginn den CEO und CFO von Twitter herausgeworfen hat. Mit gutem Grund, denn Twitter hat sein Potenzial all die Jahre weder publizistisch noch ökonomisch ausgeschöpft. Kostenpflichtige Profi-Accounts, sinnvolle Filtermöglichkeiten für die relevanten Nachrichten in Echtzeit oder Rankings der relevanten Meinungsmacher - die Liste sinnvoller Features, die Twitter besser und wirtschaftlich erfolgreicher machen könnten, ist lang. Als erster Schritt soll der blaue Verifikationshaken, der die Echtheit des Accounts bestätigt, offenbar kostenpflichtig werden. An diesen Stellen könnte Musk Gutes bewirken. Aber wahrscheinlich wird er Twitter viel stärker umbauen - in Richtung Super-App, Metaverse und Crypto-Währungen. Die Doge-Währung hat in den vergangenen Tagen schon kräftig an Wert gewonnen, da die Anleger auf die Integration in Twitter spekulieren.
Allerdings wird der Erfolg stark davon abhängen, ob Musk Hass und Hetze dauerhaft von der Plattform fernhalten kann - und will. Erste Werbekunden haben ihre Buchungen schon ausgesetzt, da sie zunächst die Entwicklung abwarten wollen. Dass Donald Trump angekündigt hat, nicht wieder zu Twitter zurückkehren zu wollen, ist ein gutes Zeichen. Dass Musk nun selbst rechte Verschwörungstheorien auf Twitter teilt, eher weniger.
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