Plattform-Aktien: Spannung vor den Quartalszahlen
18. Januar. Die Plattform-Aktien befinden sich weiterhin in einer volatilen Phase: Einerseits besteht die Hoffnung auf abermals starke Geschäftszahlen, die - wie in den Quartalen zuvor - für Auftrieb sorgen könnten. Andererseits lastet die Angst, dass die scharfe Korrekturphase der vergangenen Woche, die vor allem noch nicht profitable Plattformen belastet hat, weitergehen könnte. In der vergangenen Woche wurde der Ausverkauf vor allem von den steigenden chinesischen Plattformen gebremst: Der Plattform-Index gab 1,9 Prozent nach und liegt nun bei 3490 Punkte.
Gerade junge Plattformen benötigen aufgrund ihres Geschäftsmodells relativ lange Anlaufphasen, in denen der Aufbau von Marktanteilen und die Etablierung der Netzwerkeffekte höhere strategische Prioritäten genießen als Gewinne. Plattformökonomen finden dieses Vorgehen sinnvoll, aber Investoren mögen diese langen Investitionsphasen nicht so sehr. Insofern wird mit Spannung erwartet, inwieweit die Plattformen ihrem Wachstumskurs treu geblieben sind oder den Wünschen der Investoren nach mehr Gewinnen nachgekommen sind.
Entwicklungen in der vergangenen Woche:
Just Eat Takeaway: +12 Prozent
Lieferdienste haben im vergangenen Jahr viele Gewinne des ersten Corona-Jahres wieder abgegeben. Just Eat Takeaway ist keine Ausnahme: 55 Prozent ging es seit dem Höchststand nach unten. In der vergangenen Woche sorgten jedoch vorläufige Geschäftszahlen für einen zweistelligen Kurssprung: Die Zahl der Bestellungen kletterte im Jahresvergleich um 33 Prozent, das Transaktionsvolumen legte um 31 Prozent zu. Wohlwollend wurde die Ankündigung aufgenommen, dass 2021 der Höhepunkt der Verluste überschritten worden sei und die Ebitda-Marge sich nun deutlich verbessere, obwohl das Unternehmen im Expansionsmodus bleibe. Der Markt der Lieferdienste ist hochgradig umkämpft. Wer hier zu früh auf die Bremse tritt, läuft schnell Gefahr, wichtige Marktanteile zu verlieren, zumal weiterhin viel Vor-IPO-Risikokapital investiert wird.
Naspers: + 10 Prozent
Die südafrikanische Medienplattform Naspers, hierzulande bekannt geworden durch ihr ausgelagertes Investmentvehikel Prosus und reich geworden durch die Beteiligung am chinesischen Digitalgiganten Tencent, musste im vergangenen Jahr die Kehrseite der Medaille kennenlernen: Mit den Kursverlusten der chinesischen Aktien verlor auch die Naspers-Aktie an Boden. Seit einiger Zeit bewegt sich die Naspers-Aktie aber ebenso wie Prosus wieder aufwärts. Das Papier profitierte davon, dass Tencent sich von Anteilen an JD.com trennte.
Kuaishou Technology: + 12 Prozent
Online-Handel findet in China immer häufiger im Live-Format auf Videoplattformen statt. Kuaishou könnte neben TikTok einer der Profiteure dieses Trends werden. Zwar hat die Aktie im vergangenen Jahr mit der Regulierung mehr als 70 Prozent an Wert verloren, doch die große Userbase von mehr als 500 Millionen Menschen ermöglicht Kuaishou gleichbleibend hohe Skaleneffekte, die das Unternehmen in diesem Jahr ausspielen wird – und damit sogar Alibaba gefährlich werden kann, dessen Anteil am inländischen Online-Handel stetig sinkt. Ein gutes Beispiel, dass die Winner-takes-it-all-These, die ein Monopol in Plattform-Märkten als zwangsläufiges Endergebnis vorhersagt, in der Realität eher die Ausnahme ist.
Apple: +1 Prozent
Kaum ein Begriff elektrisiert das Silicon Valley aktuell so sehr wie das Metaverse. Die Verlagerung physischer Welten ins Digitale könnte das nächste große Ding werden – und wirft sofort die Frage auf, wer davon profitiert. Facebook möchte an der Spitze stehen und hat dem Projekt sogar einen Namen geopfert. Doch ob Mark Zuckerbergs Meta in Verbindung mit dem übernommenen Brillenlieferanten Oculus tatsächlich an der Spitze stehen wird oder ob nicht doch Apple heimlich, still und leise der große Profiteur wird, ist noch hoffen. Apple-Chef Timi Cook lässt seit Jahren an Augmented-Reality-Brillen forschen und in diesem Jahr könnte das Ergebnis auf den Markt kommen. Da Apple Produkte erst dann bringt, wenn sie wirklich ausgereift sind und der Markt dafür vorhanden ist, könnte die Kombination aus ausgefeilter Hardware und passenden Services den Ausschlag für die iPhone-Company geben, die damit ein zweites Blockbuster-Gerät auf den Markt bringen könnte. Wenn es um die Gestaltung unserer digitalen Zukunft geht, spricht auch der bessere Ruf für Apple im Vergleich zu Facebook, Mittelfristig könnte das Metaverse für Apple somit der nächste große Wachstumstreiber werden, bevor dann 2025 das autonome Auto folgt – oder auch nicht. Aus dem Stand ein ausgereiftes autonomes Auto auf den Markt zu bringen wäre eine sensationelle Leistung, an der allerdings auch Apple scheitern könnte.Der Ausverkauf der Tech-Aktien in der ersten Januar-Woche hat auch die Plattform-Werte voll erfasst. Auslöser dieser Sektorrotation von Tech zu Value ist die Angst, die amerikanische Notenbank könnte die Zinsen in diesem Jahr schneller und konsequenter anheben als bisher gedacht. Selbst die Big-Techs wie Apple oder Alphabet, die sich bisher recht erfolgreich gegen die Korrektur gestemmt hatten, gaben in der vergangenen Woche etwa 5 Prozent nach. Der Plattform-Index hat in der vergangenen Woche daher 9,16 Prozent auf 3558 Punkte verloren und ist damit wieder auf dem Nivean von Ende 2020 angekommen.
Lichtblicke waren in der vergangenen Woche die chinesischen Plattform-Werte, die nach der scharfen Regulierung im vergangenen Jahr in der ersten Januar-Woche kräftig zulegen konnten. Obwohl die Regulierungsphase noch nicht beendet ist, sehen offenbar viele Anleger den Boden erreicht und greifen aufgrund der attraktiven Bewertungen wieder zu.
Entwicklungen in der vergangenen Woche:
Alibaba: + 7,8 Prozent
Promi-Investor Charlie Munger hat seinen Anteil an Alibaba verdoppelt und Benchmark Capital ein Kursziel veröffentlicht, das eine Verdoppelung des aktuellen Kurses in Aussicht stellt. Die Vertrauensbeweise ließen die Investoren wieder nach Alibaba-Aktien greifen, obwohl die Konjunktur in China unter Corona leidet und auch das Schreckgespenst eines Delistings in Amerika noch nicht vom Tisch ist. Klar ist aber auch, dass Alibaba nach dem Kurssturz von 300 auf aktuell 130 Dollar ein spannender Kandidat für 2022 ist, zumal das internationale Geschäft unbeirrt weiterentwickelt wurde.
Ping An Insurance: +8,9 Prozent
Die Versicherung, die sich als erstes traditionelles Unternehmen komplett in ein Plattform-Modell gedreht hat, gilt weiter als Role-Model für die Branche. Nach dem Kurssturz im vergangenen Jahr, der den Aktienkurs bis zum September auf das Niveau des Jahres 2017 zurückgeworfen hat, ist das Papier aber wieder 16 Prozent gestiegen.
Renren: + 10,6 Prozent
Das soziale Netzwerk befindet sich nach dem Kurseinbruch, den ein überraschendes Gerichtsurteil ausgelöst hatte, wieder auf Erholungskurs. Offenbar erwarten die Anleger eine Einigung und eine Fortsetzung der ansonsten positiven Entwicklung des Unternehmen. In den vergangenen vier Wochen hat die Aktie rund 46 Prozent an Wert gewonnen.
Tencent: -2,1 Prozent
Der – neben Alibaba - zweite Digitalgigant Chinas hat seinen Anteil an der Shopping-Plattform Sea aus Singapur gesenkt und damit einen Kursrutsch nicht nur bei Sea, sondern auch bei Meituan und Pinduoduo ausgelöst. Tencent hatte sich in Reaktion auf Alibabas Erfolg an verschiedenen Handelsplattformen beteiligt und muss diese Anteile auf Druck der chinesischen Behörden aktuell reduzieren. Zuletzt hatte bereits der JD.com-Kurs gelitten, als Tencent seine Beteiligung herunterfahren musste.
Affle India: + 9,6 Prozent
Die indische Werbe-Plattform hat die aktuelle Korrektur schadlos überstanden und notiert auf einem Allzeithoch. Die Aktie profitierte zuletzt von einer Beteiligung eines Risikokapitalfonds, der ebenfalls in die Wachstumsstory des Unternehmens investiert.
Edenred: +4,1 Prozent
Die französische Plattform, die sich auf Sachbezüge wie Gutscheine oder Essenszuschüsse konzentriert, hat die aktuelle Korrektur ebenfalls gut überstanden und in den vergangenen vier Wochen rund 12 Prozent zugelegt.
Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen können die hier erwähnten Aktien besitzen bzw. sind bereits z.B. über ein Investmentvehikel in diese Aktien investiert. Dieser Beitrag dient lediglich der allgemeinen Information und stellt eine freie Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar.
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